Medizinische Daten – ready für die Forschung

Interview mit Jörg Stieg, Dedalus HealthCare

Jedes Krankenhaus dokumentiert in seinen unterschiedlichen IT-Systemen eine Vielzahl von Daten. Die nutzt es in der Regel für betriebswirtschaftliche Zwecke, das Controlling und die operative Prozesssteuerung. Immer häufiger gibt es aber auch den Wunsch, die Daten für medizinische Fragestellungen und die Forschung einzusetzen. Das ermöglicht Dedalus HealthCare seinen Kunden mit der neuen Analytics & Research Platform. Was sich dahinter verbirgt und wie sie arbeitet, erläutert Jörg Stieg, Global Analytics Portfolio Business Unit Lead und Business Unit Manager TIP HCe, im Interview.

Was verbirgt sich hinter der Analytics & Research Platform, Herr Stieg?

Jörg Stieg: Die Plattform stellt eine einheitliche Datenbasis für medizinische Informationen zur Verfügung, die die Kliniken dann für verschiedene Use Cases verwenden können. So kann man auf Basis der Analytics & Research Platform interne und externe Forschung betreiben, medizinische Daten und deren Zusammenhänge fallübergreifend verstehen und somit den immensen Wert medizinischer Daten nutzen.

 

Welche sind die wichtigsten Anwendungen, die auf der Plattform aufbauen?

J. Stieg: Zentrale Anwendungen sind die Lösungen aus unserem clinalytix-Portfolio. Mit clinalytix Investigative können Anwender medizinische Daten in einer visuellen, leicht zu bedienenden Anwendung analysieren, etwa als Vorbereitung für Studien oder Forschungsprojekte. Die Daten lassen sich dynamisch filtern und visualisieren, um Patientenkohorten, Muster oder Trends zu untersuchen. clinalytix Research leitet Nutzer mit gut dokumentierten und erklärenden Vorlagen für häufige Forschungsfragen wie etwa Überlebenskurven bei der Durchführung einer Forschungsanalyse an. Python-Funktionen beschleunigen gängige Forschungsaufgaben wie das Filtern von Daten für Patientenkohorten und die Durchführung von Untersuchungen an diesen Kohorten. Und clinalytix Medical AI dient zur Vorhersage von Komplikationen wie etwa Delir, Sepsis, akutem Nierenversagen, Pneumonie und venöser Thromboembolie. Diese KI-Modelle werden mit Daten aus der Analytics & Research Platform trainiert und somit auf die Datenlage der jeweiligen Einrichtung optimiert. Auch Trials 4 Care, kurz T4C, baut auf der Datenbasis der Analytics & Research Platform auf.

 

Was verbirgt sich hinter T4C?

J. Stieg: T4C ist die Brücke zwischen Patienten und der Life-Science-Industrie. Die Lösung stellt Forschenden anonymisierte Patientendaten aus teilnehmenden Kliniken in einer sicheren Umgebung zur Verfügung. Dort können Unternehmen dann Machbarkeitsstudien und retrospektive digitale Studien durchführen. Durch Ein- und Ausschlusskriterien können sie Patientenkohorten identifizieren und eine Interessensbekundung an die teilnehmenden Einrichtungen auslösen. Das verschlankt den Prozess der Patientenrekrutierung für klinische Studien extrem und erleichtert den Zugang zu wertvollen Studien und Forschungsprojekten für Krankenhäuser.

 

Wer soll die Plattform einsetzen?

J. Stieg: Wir richten uns mit der Analytics & Research Platform an Forscher, medizinische Mitarbeiter und Beauftragte für klinische Studien. Durch den modularen Aufbau können Krankenhäuser jeglicher Größe von der Plattform profitieren. Natürlich haben Universitätskliniken, größere Häuser oder Klinikgruppen einen besonderen Bedarf an medizinischen Daten für Analyse, Forschung und Studien.

 

Wie genau funktioniert die Plattform?

J. Stieg: Die Analytics & Research Platform legt das Hauptaugenmerk auf patientenbezogene, medizinische Daten. Sie basiert auf offenen Standards wie FHIR und bietet Standardkonnektoren zu allen gängigen Krankenhaus-Informationssystemen. Wir extrahieren die Daten und veredeln sie schrittweise, um sie für medizinische Analyse und Forschung nutzbar zu machen.

 

Wie sehen die einzelnen Schritte aus, Herr Stieg?

J. Stieg: Zuerst transformieren wir die Daten in ein standardisiertes Datenmodell, indem wir sie in sogenannte FHIR-Ressourcen umwandeln. Zusätzlich kümmern wir uns um das Mapping auf nationale und internationale Terminologien wie LOINC oder SNOMED CT, um die Daten vergleichbar zu machen. Durch die Verschlagwortung von Daten, sogenanntes Clinical Tagging, markieren wir Datensätze nach gewissen medizinischen Kriterien, beispielsweise #Cancer, #DiabetesMellitus oder #Penicillin, um später das Filtern und die Analyse der Daten zu erleichtern.

Danach extrahiert die Natural Language Processing Engine wichtige medizinische Informationen aus Arztbriefen, Berichten, Anamnesen oder Memos und wandelt diese in strukturierte Daten um. Somit können beispielsweise Vorerkrankungen, die nicht explizit als Diagnose kodiert wurden, als ICD-10-Kode aus den Texten gewonnen werden. Dies funktioniert übrigens nicht nur für Diagnosen, sondern auch für Allergien, Medikamente oder Vitalparameter. Die veredelten Daten können dann für die unterschiedlichen Benutzergruppen und Use Cases genutzt werden.

 

Was sind die Besonderheiten der Analytics & Research Platform?

J. Stieg: Ein großer Benefit ist, dass ORBIS, andere Krankenhaus-Informations- und weitere Subsysteme „out of the box“ angebunden werden können. Wir sehen unsere Plattform nicht nur als technologische Lösung für ein Problem, sondern auch als inhaltliche. Deshalb legen wir großen Wert darauf, die Daten für unsere Kunden zu veredeln und scheinbar nicht nutzbare Daten nutzbar zu machen. Für clinalytix und T4C bieten wir fertige Use Cases oder Dashboards an, damit die Anwender direkt in die Analyse und Forschung mit medizinischen Daten einsteigen können. Der modulare Aufbau der Plattform ermöglicht es den Nutzern, klein zu starten und später bei Bedarf auf weitere Anwendungen und Use Cases umzusteigen.

 

Wo liegen die Vorteile für die Nutzer?

J. Stieg: Unsere Nutzer können mit unterschiedlichen Anwendungen auf den gleichen Datenpool zugreifen, womit Mediziner und Forscher die „gleiche Sprache“ sprechen. Fragen können somit von Medizinern vorbereitet und nahtlos an Forschungsmitarbeiter übergeben werden. Zusätzlich haben wir über unseren Prozess der Datenveredelung bereits alle wichtigen Zusatzinformationen generiert, um medizinische Daten sofort nutzbar zu machen. Aufwendige manuelle Datenaufbereitungen für bestimmte Fragestellungen entfallen komplett und unsere Nutzer können mit fertigen Dashboards, Use Cases und Templates sofort loslegen.

Natürlich ist das Thema Datenqualität und -sicherheit essenziell, gerade wenn es um medizinische Daten geht. Dabei profitieren unsere Nutzer von unserer langjährigen Erfahrung im den Bereichen Datenintegration und sichere Datenverarbeitung.

 

Interview: Ralf Buchholz

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