Schutzschild gegen Medikationsfehler
Dosing GmbH verbessert die Arzneimitteltherapiesicherheit im Klinikalltag
Die Zahlen sind erschreckend: In Deutschland sterben jährlich schätzungsweise 2.500 Menschen durch Medikationsfehler – also durch falsch verordnete, falsch dosierte oder falsch eingenommene Arzneimittel. Zusätzlich werden etwa 250.000 Menschen pro Jahr wegen Medikationsfehlern ins Krankenhaus eingeliefert. Die Anzahl der Todesopfer bewegt sich damit auf dem Niveau der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland. Eine offizielle Statistik dazu gibt es nicht, die Zahlen stammen aus Schätzungen von Fachgesellschaften sowie Expertinnen und Experten. Sie zeigen deutlich: Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) ist keine theoretische Herausforderung, sondern eine Frage von Leben und Tod im Klinikalltag. Genau hier setzt die Heidelberger Dosing GmbH an.
Von der Beratung zur Softwarelösung
Die Wurzeln der Dosing GmbH reichen ans Universitätsklinikum Heidelberg zurück. Dort entstand Anfang der 2000er-Jahre aus einem internen Beratungsdienst für Arzneimittelfragen das Online-Nachschlagewerk AiDKlinik. Daraus entwickelte sich 2006 das Unternehmen, das sich seither der digitalen Unterstützung bei Fragen rund um Medikation verschrieben hat.
„Unser Antrieb war von Anfang an, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern“, erklärt der Medizininformatiker Dr. Simon Schmitt, Leiter Software Engineering/IT der Dosing GmbH. „Dafür braucht es Datenbanken und Werkzeuge, die Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte in ihrem Alltag praktisch unterstützen und helfen, Fehler zu vermeiden.“ Heute reicht das Portfolio des Unternehmens weit über das ursprüngliche AiDKlinik hinaus.
Mehr Sicherheit durch modulare Lösungen
Um die Anwendungen schlanker, flexibler und regulatorisch klarer zu gestalten, hat die Dosing GmbH ihre Lösungen in einzelne Module zerlegt. So entstand die Dosing Drug Info Suite (DIS) – ein Webservice, über den medizinisches Personal Arzneimitteldaten samt wichtiger Zusatzinformationen wie Applikationswege, Darreichungsformen oder Dosiereinheiten abrufen kann.
Ein weiteres zentrales Modul ist Dosing Flycicle Vision, ein Clinical-Decision-Support-System, das Verordnungen automatisch prüft. „Die Software analysiert die eingegebenen Medikamente zusammen mit Parametern wie Allergien oder Laborwerten und blickt dabei acht Tage in die Zukunft“, erklärt Dr. Schmitt. „So kann der Arzt frühzeitig gewarnt werden, bevor es zu einem Problem kommt.“
Auch der Dosing Switch ist als Medizinprodukt für den Klinikalltag wichtig: Er hilft, die Medikamente von Patienten auf die Hausliste umzustellen – also auf die Wirkstoffe, Wirkstärken oder Darreichungsformen, die im jeweiligen Krankenhaus verfügbar sind. Damit wird die Versorgung nicht nur sicherer, sondern auch effizienter.
Integration in den Klinikalltag
Ein entscheidender Vorteil der Dosing-Lösungen liegt in der nahtlosen Einbindung in Krankenhausinformationssysteme (KIS). Ärztinnen, Ärzte und Apothekerinnen müssen keine zusätzliche Software starten, sondern erhalten die relevanten Hinweise direkt in ihrem gewohnten Workflow. „Die Informationen erscheinen genau dort, wo sie gebraucht werden: im Medikationsprozess selbst“, sagt Dr. Schmitt. „Das reduziert Fehlerquellen erheblich. Zudem werden einmal erhobene Daten automatisch in verschiedene Dokumente übernommen, etwa in den Entlassbrief, den Medikationsplan oder die ePA.“
Hinter den Inhalten stehen mehr als 20 Softwareentwickler, -tester und UX-Experten sowie über zehn Apotheker, PTAs und PKAs. Im Universitätsklinikum Heidelberg pflegt darüber hinaus ein mehrköpfiges Redaktionsteam bestimmte Wissensmodule. Dabei geht es um kritische Themen wie Wechselwirkungen, Allergien, Dosen oder auch Hinweise für Schwangerschaft und Stillzeit. Alle zwei Wochen wird die Arzneimittel-Datenbank aktualisiert und per Update an die Kunden ausgeliefert.
Wachsende Komplexität als Herausforderung
„Die hohen Fehlerraten resultieren vor allem aus der stetig steigenden Komplexität der Medikation. Polypharmazie, eine alternde Gesellschaft und der Stress im Arbeitsalltag führen dazu, dass Fehler häufiger passieren können“, so Dr. Schmitt. Um das aufzufangen, sind Apotheker heute vermehrt auf Station präsent und beratend tätig. Sie greifen auf spezielle Apotheker-Arbeitsplätze zu, wo sie einen Überblick über alle laufenden Verordnungen bekommen.
Auch die richtige Dosierung bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist eine Herausforderung. „Viele Ärztinnen und Ärzte gehen zunächst von Standarddosierungen aus“, erläutert Dr. Schmitt. „Doch bei eingeschränkter Nierenfunktion kann das gefährlich werden. Elektronische Unterstützung ist hier ein echter Gewinn, weil sie automatisch auf Laborwerte verweist und vor Überdosierungen warnt.“
Durchweg positive Resonanz
Die Rückmeldungen aus den Häusern sind eindeutig. Anwender loben die Inhalte und die Benutzerfreundlichkeit von AiDKlinik, IT-Abteilungen die einfache Wartung. „Updates sind in weniger als 15 Minuten eingespielt“, weiß Dr. Schmitt. „Das macht es für die Kliniken sehr unkompliziert.“
Der Trend geht klar in Richtung mobiler Lösungen. Ärzte wollen Informationen auf Smartphone oder Tablet jederzeit verfügbar haben. „Deshalb verfolgen wir einen Mobile-First-Ansatz“, sagt Dr. Schmitt. „Die Herausforderung besteht darin, komplexe Informationen so aufzubereiten, dass sie auch auf kleinen Displays gut nutzbar sind.“
Ein weiteres Zukunftsthema ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz. Bei der Dosing GmbH dient KI vor allem der redaktionellen Arbeit, etwa beim Scannen von Fachinformationen. Auch in der Testautomatisierung hat sie sich bereits bewährt. Denkbar ist zudem, Warnungen nach Relevanz zu priorisieren, um die Informationsflut zu reduzieren. „Für uns steht dabei immer die Qualität im Vordergrund“, betont Dr. Schmitt. „Wenn wir etwas an unsere Kunden geben, muss es wirklich verlässlich sein.“
Visionen für die Zukunft
Gegenwärtig arbeitet die Dosing GmbH an der Modernisierung von AiDKlinik inklusive mobiler Version. Die Entwicklung erfolgt schrittweise und in enger Abstimmung mit KIS-Herstellern. Bis Ende 2026 soll die erste Version verfügbar sein. Darüber hinaus will die Dosing GmbH weitere Wissensquellen erschließen – etwa die Pharmakogenetik. Denn genetische Faktoren können erheblichen Einfluss auf die Wirkung von Medikamenten haben.
Und Dr. Simon Schmitts langfristige Vision? „Ich wünsche mir, dass Medikationsfehler so selten werden wie Flugzeugabstürze. Unser Ziel ist es, die Patientensicherheit durch intelligente und automatisierte Unterstützung kontinuierlich zu erhöhen.“
Ein ehrgeiziges Ziel, das angesichts der aktuellen Fehlerstatistik dringend notwendig ist – und mit innovativen Softwarelösungen durchaus erreichbar erscheint.
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