ORBIS U: Die Zukunft der Health-IT
Interview mit Siegfried Fode – Dedalus HealthCare
Mit ORBIS U entwickelt Dedalus HealthCare die neue Generation des bekannten Krankenhaus-Informationssystems. Wir haben mit Siegfried Fode, Chief Technology Officer der Dedalus, darüber gesprochen, wie weit diese Entwicklung ist, was ORBIS U so besonders macht und welche Rolle Cloud, KI und Usability dabei spielen.
Herr Fode, wie ist der gegenwärtige Status bei ORBIS U?
Siegfried Fode: Wir haben große Fortschritte in den klinischen und administrativen Bereichen erzielt, vor allem für die Nutzergruppen der Pflege und Ärzte haben wir zahlreiche neue Funktionalitäten bereitgestellt. Auch technologisch hat sich viel getan – aktuell implementieren wir die ersten Projekte vollständig in der Cloud als „Software as a Service“. Auch die Umsetzung und Integration verschiedener KI-Funktionalitäten ist in vollem Gange.
Wie sieht der Migrationspfad für Kliniken aus?
S. Fode: Für Bestandskunden haben wir ORBIS U so konzipiert, dass die Umstellung Schritt für Schritt vorgenommen werden kann. Dabei entscheiden unsere Kunden selbst, welche Bereiche sie wann auf ORBIS U umstellen möchten. Da es zwischen ORBIS U und ORBIS NICE, der Vorversion, sowohl technologisch als auch inhaltlich große Unterschiede gibt, kann die Individualisierung, die in ORBIS NICE vorgenommen wurde, nicht automatisch nach ORBIS U migriert werden. In vielen Fällen ist dank des stark ausgebauten Standardfunktionsumfangs in ORBIS U jedoch keine individuelle Anpassung mehr erforderlich. Zudem kann auch ORBIS U individualisiert werden. Neukunden erhalten aktuell eine Hybrid-Lösung aus ORBIS NICE und allen ORBIS-U-Applikationen, die zum Zeitpunkt der Installation verfügbar sind.
Wie viele Kliniken arbeiten bereits mit ORBIS-U-Modulen?
S. Fode: Aktuell nutzen rund 450 Einrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ORBIS-U-Module in unterschiedlicher Ausprägung. Da wir einige neue Funktionalitäten ausschließlich in der U-Technologie anbieten, rechnen wir damit, dass ORBIS U sich bei unseren Kunden schnell als Standard etablieren wird.
Was ist revolutionär neu an ORBIS U?
S. Fode: Wir entwickeln ORBIS U mit moderner Webtechnologie und zukunftssicherer Microservice-Architektur. Bei der Konzeption der ORBIS-U-Applikationen folgen wir einem Design-Thinking-Prozess, die Nutzer und deren Bedürfnisse werden also von Beginn an ins Zentrum der Produktentwicklung gestellt. Unser Client-Framework, eine Toolbox mit mehreren hundert UI-Komponenten, stellt dabei sicher, dass alle ORBIS-U-Oberflächen einheitlich gestaltet sind, egal ob es sich dabei um unsere Standardmodule oder kundenspezifisch individualisierte Masken handelt.
ORBIS U kann sowohl am Desktop als auch auf unterschiedlichen mobilen Endgeräten mit verschiedenen Betriebssystemen genutzt werden und ist genau auf die Anforderungen unserer vielen verschiedenen Nutzergruppen zugeschnitten. Ein klassischer „Fat Client“ – ein Programm, das direkt auf dem Endgerät installiert wird und komplexe Berechnungen ausführen kann – ist mit ORBIS U nicht mehr notwendig. Stattdessen nutzen wir eine Drei-Schicht-Architektur, bei der das Programm auf dem Endgerät deutlich weniger rechenintensiv ist, weil aufwendige Berechnungen von Haus aus auf einem Server ausgeführt werden. Dadurch läuft ORBIS U auch auf leistungsschwachen Endgeräten gleichermaßen performant.
Welche Auswirkungen hat das konkret?
S. Fode: Die Auswirkungen sind auf mehreren Ebenen spürbar. Dass ORBIS U auf verschiedenen Endgeräten gleichermaßen gut funktioniert, eröffnet unseren Kunden neue Freiheiten, ihre Abläufe optimal zu unterstützen und beispielsweise mobile Endgeräte einzusetzen.
Dank des Microservice-Ansatzes haben die einzelnen ORBIS-U-Module kaum technische Abhängigkeiten zueinander. Das erlaubt uns, die Entwicklung flexibel auf verschiedene Teams aufzuteilen. Außerdem können wir dadurch die Wartung, Lastverteilung und Skalierbarkeit von ORBIS U flexibel auf die Bedürfnisse aller Kunden zuschneiden – von großen Maximalversorgern bis zu kleinen Häusern. Dabei fügen sich die einzelnen Microservices für die Anwender zu einem nahtlosen Gesamtbild zusammen.
Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die cloudbasierte Verfügbarkeit. Im Rahmen unserer Advanced Managed Services können wir ORBIS U als Cloud-Lösung anbieten, sodass Kunden kein eigenes Rechenzentrum mehr benötigen. Selbstverständlich ist der Betrieb über ein lokales Rechenzentrum auch weiterhin möglich.
Wie stehen Krankenhäuser zu Cloud-Lösungen?
S. Fode: Das hängt stark vom Markt ab. In Deutschland sind die Einrichtungen noch eher zurückhaltend, aber es kommt Bewegung in den Markt. Wir bekommen immer mehr Anfragen, da es für unsere Kunden vor allem durch gestiegene Anforderungen im Bereich Security und Zertifizierung immer schwieriger wird, das Personal für den Betrieb eines eigenen Rechenzentrums zu finden. Dadurch und durch die zunehmende Konsolidierung, sind immer größere Verbünde nicht mehr in der Lage, viele einzelne Rechenzentren parallel zu betreiben. Die Cloud ist hierfür die logische Lösung.
Worauf führen Sie die Zurückhaltung hinsichtlich Cloud in Deutschland zurück?
S. Fode: In erster Linie sind es Datenschutzbedenken und die Sorge, dass die Daten nicht in Deutschland bleiben. Um das zu adressieren, nutzen wir ein Server-in-Cloud-Angebot in Berlin, das allen Datenschutzanforderungen entspricht. Als Software-as-a-Service-Anbieter übernehmen wir die Verantwortung für die Sicherheit und Zertifizierung und stellen sicher, dass alle regulatorischen Vorgaben erfüllt sind. Im Hintergrund arbeiten wir dazu mit Amazon Web Services (AWS) zusammen.
Gibt es neben der Cloud-Ausrichtung weitere technische Neuerungen in ORBIS U?
S. Fode: Da gibt es eine ganze Menge. Ein Meilenstein ist die Entwicklung des ORBIS Semantic Layers, kurz OSL, das ist ein konfigurierbares Datenmodell. Damit können wir sowohl Konzepte wie Patient, Fall oder Diagnose als auch kundenspezifisch konfigurierte, wiederverwendbare Inhalte auf Terminologien und Standards abbilden. So lassen sich Daten besser für klinische Studien nutzen oder für KI-Anwendungen aufbereiten.
Darüber hinaus arbeiten wir an „Autoscaling“-Funktionen, die die Systemleistung dynamisch an die aktuelle Auslastung anpassen. Für unsere Endnutzer bedeutet das, dass das System auch zu Stoßzeiten oder bei unerwartet hoher Auslastung performant und zuverlässig bleibt.
An welchen neuen Funktionalitäten für ORBIS U arbeiten Sie gerade?
S. Fode: Unser Fokus ist, die Abläufe im Krankenhaus ganzheitlich zu betrachten. Aktuell arbeiten wir an Lösungen für die Anästhesiedokumentation im OP und für die Visite, die alle benötigten Funktionalitäten jeweils nahtlos in einer Oberfläche zusammenstellen.
Außerdem erarbeiten wir mit ORBIS Steps eine Lösung, mit der standardisierte Behandlungspfade hinterlegt werden können. Diese unterstützen verschiedene Nutzergruppen dabei, die Behandlung eines Patienten entsprechend zu steuern und zu überwachen. Dabei setzen wir auf den etablierten Standard BPMN zur Beschreibung der Prozesse. Besonders für die Ambulantisierung wird das eine große Hilfe sein, um auch über verschiedene Besuche hinweg ein ganzheitliches Bild über den Behandlungsverlauf zu erhalten.
Und wie sieht es im Bereich KI aus?
S. Fode: Da ist gerade sehr viel in Bewegung. Zusammen mit verschiedenen Partnern arbeiten wir an „Ambient Listening“: Die KI „hört“ während des Arzt-Patienten-Gesprächs mit und überträgt relevante Daten in die Formulare. Auch automatische Befund- und Arztbriefschreibung oder Wundanalyse gehören dazu. Zudem arbeiten wir an der KI-gestützten Erstellung einer Epikrise.
Mit dem ORBIS Buddy steht ein Chatbot bereit, der unter anderem Patientenzusammenfassungen liefern kann – zum Beispiel für die letzten 48 Stunden, um die Schichtübergabe zu unterstützen.
Darüber hinaus kann uns KI dabei helfen, die Relevanz von Informationen zu bestimmen und entsprechend darzustellen, oder die Dauer von Operationen zu prognostizieren, um die OP-Auslastung zu optimieren.
Wofür steht eigentlich das U in ORBIS U?
S. Fode: Das U steht für User-Centricity und Usability – die zentralen Treiber der Neuentwicklung. Unser Anspruch ist es, durch nutzerzentrische Konzeption das Beste aus unserer modernen Technologie und Architektur herauszuholen. Wir haben ein eigenes Team von UX-Experten aufgebaut, das im engen und kontinuierlichen Austausch mit unseren Endanwendern die Bedienkonzepte für ORBIS U erarbeitet.
Das Wichtigste ist, ein tiefes Verständnis für die täglichen Herausforderungen unserer verschiedenen Nutzergruppen zu entwickeln. Dazu besuchen unsere UX-Experten regelmäßig verschiedene Kunden, um durch Beobachtungen, Befragungen und Workshops genau zu verstehen, was die Bedürfnisse und Herausforderungen der unterschiedlichen Akteure sind. Basierend darauf entwickeln wir Ideen und stimmen diese in engem Austausch mit Kunden und Nutzern ab, bis daraus ein Produktkonzept entstanden ist, das einen echten Mehrwert verspricht. Die Konzepte von ORBIS U werden also von Beginn an mit Anwendern gemeinsam entwickelt.
Wie spiegelt sich dieser Anwender-Fokus in der Software wider?
S. Fode: Wir verfolgen ein modulares Konzept, in dem für gängige Situationen im Alltag unserer Benutzer jeweils ein „Cockpit“ zusammengestellt wird, beispielsweise für die Visite oder die Anästhesiedokumentation im OP. Jedes Cockpit bündelt dabei alle benötigten Funktionalitäten in einer Oberfläche, so wie es die jeweilige Situation erfordert.
Darüber hinaus bündeln wir mehrere Cockpits zu „Workspaces“. Ein Workspace ist so konzipiert, dass darin alle Cockpits enthalten sind, die benötigt werden, um die tägliche Arbeit in einem bestimmten Bereich zu unterstützen, zum Beispiel auf einer Normalstation oder in einer Ambulanz. Für eine Normalstation können das zum Beispiel Cockpits für die Schichtübergabe, die Visite, die Medikationsrunde, die Patientenaufnahme und viele weitere sein. Dabei können die angebotenen Cockpits auf die Rolle des jeweiligen Benutzers innerhalb des Workspaces zurechtgeschnitten werden. Stück für Stück werden wir für jeden Bereich eines Krankenhauses einen Workspace anbieten, von den klinischen Bereichen bis hin zur Abrechnung oder der IT-Abteilung.
So richtet unser System sich nach unseren Endnutzern aus und nicht unsere Nutzer müssen dem System folgen.
Wo liegen die Vorteile der Struktur mit Workspaces und Cockpits?
S. Fode: Vor allem in der Navigation. Nutzer sehen genau das, was sie im jeweiligen Kontext benötigen, ohne viel manuell navigieren zu müssen. Das vermeidet Irritationen und spart Zeit. Wir setzen dabei auf einen rollenbasierten Ansatz: Ein Arzt kann in der einen Situation Operateur und in einer anderen Stationsarzt sein. Je nach Rolle erhält er genau die Funktionen, die er in diesem Moment benötigt.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, Herr Fode.
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