„Wir betreiben Risikominimierung“
Usability Engineering überprüft und gewährleistet Sicherheit von Medizinprodukten
Yvonne Grittmann und Janine Schoop sind Usability Engineers und UX-Designerinnen bei der Dosing GmbH Heidelberg, einem Unternehmen von Dedalus. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Anwendern, Produktmanagement und Softwareentwicklung – in ihrem Fall für die Lösungen von Dosing – und sorgen für eine sichere Nutzung und optimale Nutzungserfahrung.
Bevor eine Softwarelösung als Medizinprodukt zertifiziert wird, muss sie eine ganze Reihe von Tests durchlaufen. Dazu gehört auch die sogenannte summative Evaluation. Das ist eine Form der Ergebnisevaluation am Ende des Usability-Prozesses, die dazu dient, die sichere Benutzung des Medizinproduktes zu bestätigen. Sie ist mit der Endkontrolle in der Qualitätssicherung vergleichbar und wird angewendet, wenn das Programm vollständig entwickelt ist. „Im Prinzip ist sie der letzte Schritt im Usability-Engineering-Prozess, der eine abschließende Bewertung des Produktes darstellt“, erläutert Yvonne Grittmann, die wie Janine Schoop auch für die summative Evaluation von Dosing Flycicle Vision verantwortlich zeichnet. „Wir stellen in diesem Prozess fest, ob die Software vom Nutzer sicher angewendet werden kann und keine Risiken für Patienten, Nutzer oder Dritte entstehen“, ergänzt Janine Schoop.
Der Prozess hin zur summativen Evaluation
Der Usability-Prozess verläuft in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten. Zuerst wird die Zweckbestimmung der Lösung definiert. Dabei wird aufgeführt, zu welchem (medizinischen) Zweck das Produkt angewendet wird und welche Anwendergruppen es nutzen sollen, welche potenziellen Gefährdungsszenarien es gibt und wie die Software getestet werden soll. „In Vorbereitung auf die summative Evaluation wird im nächsten Schritt ein detaillierter Testplan aufgesetzt. Darin legen wir fest, was getestet werden soll, erstellen Leitfäden für Anwenderinterviews, definieren Ein- und Ausschlusskriterien für die Probanden, erstellen eine Liste der Nutzer, die an der Evaluation teilnehmen, und stellen entsprechende Dokumente zusammen“, erläutert Grittmann den Prozess. Während der summativen Evaluation entstehen Protokolle, die eventuelle Fehler und Nutzungsprobleme zusammenfassen. Die Auswertung der Protokolle ergibt einen Report inklusive einer dedizierten Risikoanalyse. All diese Dokumente stellen am Ende das Usability Engineering File, also die Gebrauchstauglichkeitsakte, dar.
An der summativen Evaluation für Dosing Flycicle Vision haben 15 Probanden teilgenommen. Bei einer Analyse hatten Yvonne Grittmann und Janine Schoop festgestellt, dass die risikobezogene Nutzung in diesem Fall lediglich bei den Ärzten liegt. „Mit vier Medizinern haben wir den Prozess vor Ort im Städtischen Klinikum Karlsruhe durchlaufen, mit den anderen elf online“, so Janine Schoop. Die Interviews – von einer der beiden Usability Engineers moderiert und von einer Protokollantin begleitet – dauerten jeweils zwei bis zweieinhalb Stunden. Zuerst hat der Proband die Gebrauchsanweisung durchgearbeitet, daran schlossen sich gezielte Aufgaben an, die er erledigen sollte.
Im Fall von Dosing Flycicle Vision haben Yvonne Grittmann und Janine Schoop einen fiktiven Patientenfall kreiert, damit der Proband sich besser in die Situation einfühlen konnte. Dann musste er Fragen beantworten. „Dabei beobachten wir, wie er mit dem Programm umgeht“, erläutert Yvonne Grittmann. Es werden vorher festgelegte Akzeptanzkriterien abgeglichen und mögliche Nutzungsprobleme und Use Errors festgehalten, die später analysiert werden. Abschließend findet mit dem Probanden ein kurzes Interview zur Evaluation mit einer Feedbackrunde statt. Zurück im Büro werden zusätzlich die Video- und Tonaufnahmen ausgewertet. „Da beobachten wir dann noch einmal genau, wie sich der Proband verhalten hat, ob es Punkte gab, an denen er in der Bedienung der Software unsicher war, und wie es unter Umständen zu Fehlbedienungen gekommen ist“, sagt Janine Schoop.