Eine Frage der Dosis – Dosismanagement aus Sicht eines Medizinphysik-Experten
Unser Interview mit Dr. Nagel, einem anerkannten Medizinphysik-Experten zeigt neue Perspektiven im Dosismanagement auf.
Herr Dr. Nagel, bitte stellen Sie sich in ein paar Sätzen vor.
Dr. HD Nagel: Nach meinem Physikstudium an der Uni Hamburg bin ich 1978 zu einer der großen Herstellerfirmen für bildgebende Diagnostik gewechselt. Für sie war ich bis Ende 2009 tätig, die überwiegende Zeit als „Clinical Scientist“. Meine Schwerpunkte liegen auf den Gebieten Röntgen und Computertomographie und dort speziell bei allem, was mit Dosis und Bildqualität zu tun hat. Rund 15 Jahre habe ich daneben ehrenamtlich für den Industrieverband (ZVEI) gearbeitet und war als dessen Vertreter in diversen Gremien tätig. Anfang 2010 habe ich mich als wissenschaftlicher und anwendungstechnischer Berater selbständig gemacht.
Halten Sie es für sinnvoll, Dosismanagement ohne eine dedizierte Software durchzuführen, also z. B. nur mit Excel?
Dr. Nagel: Üblicherweise findet man als MPE zunächst kein Dosismanagementsystem (DMS) vor und muss bis zur Beschaffung mit Ersatzlösungen arbeiten, um die Dosisüberwachung vornehmen zu können. Damit habe ich einschlägige Erfahrungen sammeln können. Um die Expositionspraxis abzubilden, muss man sich wegen des erheblichen Zeitaufwands auf Stichproben beschränken. Spannend ist dies auch nur beim ersten Mal, danach eher eine Zumutung, auf jeden Fall aber eine Verschwendung von Ressourcen. Was die Erkennung erheblicher Dosisüberschreitungen betrifft, haben sich organisatorische Maßnahmen (Listen am Arbeitsplatz, Meldeketten) als nicht zuverlässig erwiesen. Ein DMS ist deshalb ein absolutes Muss, um als MPE tätig sein zu können. Mittlerweile sind bei allen von mir betreuten Einrichtungen Dosismanagementsysteme in Betrieb. Einzige Ausnahme ist eine neurochirurgische Praxis mit einem CTGerät, bei dem es aufgrund des sehr eingeschränkten Untersuchungsspektrums (ausschließlich PRTs der Wirbelsäule) und der niedrigen Dosiswerte, die dort anfallen, auch ohne geht.
Warum haben Sie sich bewusst für das Dosismanagementsystem DOSE entschieden?
Dr. Nagel: Mein Interesse an DOSE rührte zunächst daher, dass es sich bei dem Hersteller (Qaelum) um ein Spin-off der Medizinphysikabteilung an der Universität Leuven um Frau Prof. Bosmans handelt. Viele DMSLösungen kranken daran, dass ihre Handschrift erkennbar IT-lastig ist und das Feingefühl für den Anwendungsbereich fehlt. Das für mich entscheidende Kriterium ist die Praxistauglichkeit: Wie gut hilft mir das DMS dabei, meine Aufgaben zu erfüllen? Dies schien mir im Falle von DOSE eher gewährleistet zu sein als bei Systemen anderer Anbieter. Geht man allein nach den Spezifikationen, dann könnte man alle DMSLösungen für nahezu gleichwertig halten. Wie praxistauglich sie jedoch sind und wie gut sie mit den lokalen Besonderheiten (Geräte, PACS) klarkommen, zeigt sich erst beim Einsatz vor Ort. Aufgrund vieler negativer Überraschungen mit anderen DMS habe ich vor gut zwei Jahren Dedalus HealthCare überzeugen können, eine Testinstallation in einer der von mir betreuten Institutionen einzurichten. Die Erfahrungen, die ich dabei sammeln konnte, insbesondere aber die schnelle und gelungene Umsetzung meiner Verbesserungsvorschläge durch Qaelum, haben dazu geführt, dass DOSE meinen Vorstellungen, wie ein praxistaugliches DMS aussehen sollte, jetzt schon weitestgehend entspricht.
Haben Sie auch schon Erfahrungen mit anderen Dosismanagementsystemen gemacht?
Dr. Nagel: Ja. Insgesamt habe ich bislang vier DMS in ähnlicher Weise wie DOSE auf „Herz und Nieren“ prüfen können. Aus der Notwendigkeit heraus, ein preisgünstiges, aber weitgehend unbrauchbares DMS begründet ablehnen zu können, habe ich vor drei Jahren einen Prüfkatalog dazu entwickelt. Der umfasst insgesamt knapp 100 Aspekte – alle unter dem Blickwinkel Praxistauglichkeit. Ähnlich wie in der Schule habe ich dabei zwischen Haupt-, Neben- und Wahlfächern unterschieden – von unverzichtbar über sehr wichtig bis „nice to have“. Wie bei der Frage der Versetzung ist entscheidend, bei wie vielen „Hauptfächern“ die Benotung bei 6 (nicht vorhanden bzw. unbrauchbar) oder 5 (nur mit erheblichem Zusatzaufwand verwendbar) liegt. Die Qualitätsunterschiede, die sich dabei zeigten, waren erheblich. Derzeit arbeite ich mit drei der von mir getesteten DMS: bei drei meiner „Kunden“ mit DOSE, bei den beiden anderen mit den weniger praxistauglichen DMS-Lösungen. In einem Fall liegt das an der bereits länger zurückliegenden Beschaffung. In dem anderen gestattet das sehr eingeschränkte Untersuchungsspektrum, trotz der erheblichen Schwächen eine Dosisüberwachung zumindest auf Minimalniveau vornehmen zu können.