Big Data in der Gesundheitsbranche
In einem Experteninterview mit Peter Heiles, Head of Technology für Diagnostic Imaging IT, werden die Chancen und Risiken von Big Data für IT-Unternehmen im Gesundheitswesen beleuchtet.
Wachsende Populationen, demografische Alterung und das Fortschreiten der Digitalisierung nehmen immer mehr Einfluss auf das Gesundheitswesen und die dort anfallenden digitalisierten Daten. Zwar wurde im Jahr 2017 der Digitalisierungsstand im Gesundheitswesen als niedrig deklariert,[1] dennoch ist die prognostizierte jährliche Datenwachstumsrate im Gesundheitsbereich bis 2025 mit 36% der am schnellsten wachsende Sektor, verglichen mit anderen Branchen.[2]
Um die gesammelten Daten sinnstiftend nutzen zu können, spielt deren Auswertung eine wichtige Rolle. Mit dem steigenden Datenvolumen wird dies zu einer zunehmenden Herausforderung. Ein populärer Begriff, der sich in diesem Zusammenhang in der Gesellschaft etabliert hat, ist „Big Data“.
[1] Vgl. Graumann/Bertscheck (2017).
[2] Vgl. Reinsel/Gantz/Rydning (2018).
Was ist Big Data
Auch wenn der Begriff „Big Data“ in aller Munde ist, eine strikt festgelegte Definition lässt sich nicht feststellen. Laut Adrian Merv beschreibt Big Data eine Datenmenge, deren Erfassung, Verwaltung und Verarbeitung eine für den Nutzer unerträgliche Zeitspanne in Anspruch nehmen würde. Vorausgesetzt sind dabei die üblichen Hardwareumgebungen und Software-Tools, die jedoch nicht genauer spezifiziert werden.[3] Die Größe der Datenmenge wird dabei im Tera- oder Petabyte-Bereich gesehen. Weitere Merkmale sind eine schnelle Verarbeitungs- und Entstehungszeit und eine große Anzahl von (unterschiedlichen) Datenquellen, unabhängig davon, wo diese entstehen. Die Entstehung aus unterschiedlichen Datenquellen hat auch zur Folge, dass die Daten jeglichen Datentyps sein können.[4]
[3] Vgl. Merv (2011).
[4] Vgl. Kurzlechner (2013).
Big Data in der Gesundheitsbranche
In einem Experteninterview mit Peter Heiles, Head of Technology für Diagnostic Imaging IT, werden die Chancen und Risiken von Big Data für IT-Unternehmen im Gesundheitswesen beleuchtet.
Herr Heiles, können Sie sich bitte kurz vorstellen. Seit wann sind sie bei Dedalus HealthCare GmbH beschäftigt und was sind ihre Aufgaben?
- Ich bin seit 2004 im Unternehmen beschäftigt, meine wesentlichen Aufgaben sind die Definition und Koordination der Lösungsarchitektur in der PBU Diagnostic Imaging IT, die Erstellung der Plattform zum Betrieb der Softwarelösung und die Festlegung der Technologiestrategie, die es uns ermöglicht die Anforderungen an die Produkte umzusetzen.
Wie nehmen Sie momentan den Einfluss von Big Data auf die Unternehmensausrichtung von Dedalus HealthCare GmbH wahr?
- Eines der Ziele des Unternehmens ist es, den Endanwendern über die Grenzen der Softwarelösungen hinweg einen effizienten Zugriff auf die vorhandenen Daten der Patient zu ermöglichen. Ebenso haben wir erkannt, dass in den großen Mengen an Datensätzen, die im klinischen Betrieb tagtäglich anfallen, noch sehr viel Potential zur Erweiterung unseres Produkt-/ und Funktionsangebotes liegt. Das Ziel hierbei ist aus den brachliegenden Daten („Dark Data“) nutzbare Informationen („Big Data“) zu erzeugen.
Mit Fokus auf Big Data, welche Chancen und welche Risiken sehen Sie für Softwareunternehmen in der Gesundheitsbranche in Bezug auf deren Leistungsangebot?
- Chancen: Der Trend geht immer mehr dahin, die anfallenden Daten nicht nur im Rahmen der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zu speichern, sondern auch nutzbar zu machen. Insbesondere wird dies durch die vermehrte Nutzung von maschinenlesbaren Kodierungen erreicht, mit denen Daten zu Diagnosen einfacher wiedergefunden werden, Trends dargestellt und z.B. zu Forschungszwecken verwendet werden können.
- Risiken: Die Verwendbarkeit der großen Datenmengen steht und fällt mit der Qualität der Identifizierbarkeit des Inhaltes und der entsprechend mitgeführten Metadaten. Sind diese nicht vorhanden oder unzureichend gepflegt (und fallen damit in den Bereich von „Bad Data“) können die Abweichungen, z.B. bei statistischen Auswertungen oder der Verwendung beim Trainieren von KI basierten Algorithmen, signifikant sein und zu falschen Schlüssen führen. Bei der Verwendung von Massendaten müssen wir den Schutz der personenbezogenen Informationen immer mitdenken und von Anfang an in der Entwicklung berücksichtigen.
Gibt es bestimmte Chancen, die sich zu Nutze gemacht? Wenn ja, welche sind das?
- Im ersten Schritt legen wir den Fokus auf die Integration unserer Softwarelösungen, um dem klinischen Endanwender einen schnellen und effizienten Zugriff auf relevante klinische Daten zu ermöglichen. In der Zukunft wollen wir Mehrwert aus dem gesamten Datenbestand für den Kunden generieren. Z.B. bedient sich ein Unternehmen, mit dem wir eine Partnerschaft eingegangen sind, wissenschaftlicher Datenbanken, um ihre Software zu speisen. Die als KI deklarierte Software erkennt auf dessen Basis Muster in Lungen CTs. Gerade in unserem Bereich der medizinischen Bildgebung lässt sich KI als Mustererkennung für viele diagnostische Verfahren einsetzen.
Gibt es bestimmte Risiken, mit denen Sie sich aktuell beschäftigt? Wenn ja, welche sind das?
- Zur Reduzierung des Risikos von „Bad Data“ legen wir einen großen Fokus auf eine gute und leicht zugängliche User Experience unserer Produkte. Ebenso führen wir zunehmend maschinenlesbare Kodierungen, z.B. von Diagnosen, in unseren Informationssystemen ein, um den Weg zur Nutzung von Big Data zu öffnen. Gerade in Bezug auf Software, die Daten zwischen mehreren Einrichtungen austaucht, müssen hochsensible Daten zudem unkenntlich gemacht werden.
Können Sie einen Ausblick geben, welche Möglichkeiten sich in Zukunft durch Big Data für Dedalus ergeben werden?
- Möglichkeiten in der Nutzung von Big Data sehen wir in der statistischen Auswertung (z.B. zur Erkennung von Trends bei Krankheitsbildern, vorrausschauende Bewertung der Auslastung von Gesundheitseinrichtungen, Auswirkungen von Behandlungen, etc.), Verwendung von Daten zu Forschungs-/Lehrzwecken, dem identifizieren von ähnlichen, insbesondere seltenen, Krankheitsbildern und dem automatisierten Erlernen davon, welche Daten eine besondere Relevanz für den klinischen Benutzer haben.
Sehen Sie auf dem Markt irgendwelche Limitationen, die Big Data Einhalt gewähren könnte?
- Generell sind die Hersteller am Markt sehr heterogen aufgestellt im Bezug darauf wie gut sie den Kunden, bzw. anderen Herstellern den Zugang zu Daten, z.B. über standardisierte API’s ermöglichen – insbesondere bei der Schaffung von zentralen Systemen, die mit Big Data umgehen, ist das eine Hürde, die überwunden werden muss. Ebenso muss die Bereitschaft auf Kundenseite bestehen die Datenqualität so zu pflegen, dass ein Nutzen hieraus gezogen werden kann. Zudem müssen wir uns vor Augen halten, dass sich die Rechtslage zu personenbezogenen Daten jederzeit ändern kann. Deswegen spielt die oben genannte Unkenntlichmachung der Daten eine große Rolle.
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Literaturverzeichnis
Graumann, Sabine; Bertscheck, Irene (2017): Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2017. Hg. v. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Online verfügbar unter https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/monitoring-report-wirtschaft-digital-2017.pdf?__blob=publicationFile&v=36.
Kurzlechner, Werner (2013): Szenarien und Kulturwandel, Leitfaden für Big Data von Experton. Hg. v. Computerwoche. Online verfügbar unter https://www.computerwoche.de/a/leitfaden-fuer-big-data-von-experton%2c2534601, zuletzt aktualisiert am 18.03.2013, zuletzt geprüft am 22.11.2022.
Merv, Adrian (2011): It’s going mainstream, and it’s your next opportunity. 01. Aufl. Hg. v. Teradata Magazine. o. O.
Reinsel, David; Gantz, John; Rydning, John (2018): The Digitization of the World. From Edge to Core. Hg. v. IDC. Online verfügbar unter https://www.seagate.com/files/www-content/our-story/trends/files/idc-seagate-dataage-whitepaper.pdf.